Der neu gestaltete Domschatz Minden zeichnet sich durch das 15 Meter hohe Gebäude aus, das rund 450 Quadratmeter Ausstellungs- und Nutzfläche auf drei Geschossen umfasst. Die Architektin Ines Miersch-Süß (Dresden) konzipierte es nach eigenen Worten „als eine Art Tageslichtmuseum für den Ausstellungsbesuch und die Andacht bei Tageslicht“. Die Kölner Ausstellungsarchitektin Claudia Hoffmann führte die Arbeiten mit eigenen Entwürfen fort. Hoffmann wurde 2021 gemeinsam mit Prof. Gerhard Kalhöfer für ihre Ausstellungsgestaltung für das Weltkulturerbe „Haus am Horn“ (Bauhaus) der Klassik Stiftung in Weimar mit dem renommierten Europa-Nostra-Preis ausgezeichnet. Mit dem europäischen Preis werden seit 1978 herausragende Leistungen im Bereich der Erhaltung von Kulturerbe ausgezeichnet.
Die Grundlagen für die Planungen der neuen Domschatzkammer wurden bereits Anfang der 2000er-Jahre durch die Mindener Architekten Daniela Birkenhauer und Hans Peter Korth mit ihren Entwürfen gelegt. Die wurden 2006 verworfen, als die Stadt Minden über eine komplette Neuentwicklung des Bereiches Kleiner Domhof mit einem Einkaufscenter nachdachte. Diese Überlegungen betrafen auch das Haus am Dom mit seiner Schatzkammer. Allerdings wurde das Großvorhaben zur Neugestaltung des Kleinen Domhofes aufgrund eines Bürgerentscheids im Jahr 2007 nicht verwirklicht.
Eigenwirkung des Objekts steht im Domschatz Minden im Mittelpunkt
Die Hauptexponate im nun in der jetzigen Form gestalteten Domschatz Minden sind im ersten Geschoss ausgestellt und ihre Präsentation ist auf die Eigenwirkung des Objekts ausgelegt, wie Ines Miersch-Süß in ihrer Beschreibung betonte. Die Hauptachse bilde das unmittelbare Gegenüber der Maria mit dem Jesuskind im Arm und Christus am Mindener Kreuz aus dem Jahr 1120, dem berühmtesten Objekt der Sammlung. Im zweiten Obergeschoss geht es weiter mit den Teilen der Sammlung aus der Zeit nach 1500. Die Räumlichkeit ist in Anlehnung an eine Sakristei konzipiert – also den ursprünglichen Aufbewahrungsort des liturgischen Geräts. Hier befindet sich außerdem die Bibliothek.
„Die Grundidee hinter allem war, dass der Kirchenschatz im Innern gleichsam von außen, von der Stadt her gesehen oder zumindest erahnt werden kann und umgekehrt von innen her collagehaft als Teil der Stadt mit den Ansichten der umliegenden Gebäude verschmilzt“, erläutert Ines Miersch-Süß.
Angesichts der Größe des Gebäudes und der filigranen, vorwiegend metallischen und handwerklich extrem fein gearbeiteten Hauptobjekte beschränkt sich die Architektin vor allem bei der Gestaltung der Gebäudehülle auf ein einziges Material: Metall. „Das heißt, die Außenwände werden zum metallenen Gefäß, gleichsam einer Art Pyxis. Der Besucher des Domschatzes Minden verspürt somit eine Aura der Modernität und des Heute, der Gegenwärtigkeit von Glaube“, so die Architektin.
Domschatz Minden zeigt sich als metallverkleideter Kubus
Das Gebäude zeigt sich von allen Seiten als metallverkleideter Kubus. Die Oberfläche bilden sogenannte Alucobond-Platten in Rautenform. Der Eingangsbereich mit dem Besucherservice und dem Domschatz-Shop, der von der Kölner Ausstellungsarchitektin Claudia Hoffmann geplant und umgesetzt wurde, weicht als Bauteil mit geschosshohem Glas ab. Hier wird die Gestaltung der Umgebungsbebauung aufgegriffen.
Die Nordseite wird von drei rechteckigen, raumhohen Fenstern durchbrochen. Der vierkantige Abschluss des Gebäudes sei eine Reminiszenz an den Chorabschluss im Osten des nur 50 Meter entfernten Mindener Domes“, sagt Ines Miersch-Süß. Die metallene Pyxis wird von drei Fenstern durchbrochen, was man zum einen als Verzierung sehen kann. Doch da das gelbe Licht der Objektbeleuchtung hier durch die ansonsten geschlossene Gebäudehülle nach draußen dringe, schafften die drei Fenster zugleich eine Verbindung zwischen Schatzkammer und Stadt.
Aus dem ursprünglichen Gebäude wurden all die Bauteile für die neue Konstruktion übernommen, die für die Abtragung der Lasten erforderlich waren, sowie außerdem die Geschossdecke zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss samt Stützen. Das zweite Obergeschoss wurde als freitragende Leichtbaukonstruktion auf den Außenwänden aufgebaut, um die neuen statisch wirksamen Lasten in die Außenwände der Tiefgarageneinfahrt abzuleiten, denn die Mittelwand der Tiefgarageneinfahrt kam auf Grund ihrer mangelnden Dicke für Lastenabtragung nicht in Frage.
Dombau-Verein betreibt Domschatz Minden
Um die erforderliche bauphysikalische Funktion der Fassade zu gewährleisten, wurden alle vorhandenen Wandaufbauten abgebrochen, etwas zurückgesetzt wieder neu hergestellt und mit einer Wärmedämmung ausgestattet. Der darum aufgebrachte Alucobond-Fassadenabschluss des Wandaufbaus ist so dünn, dass die Grundstücksgrenze nicht überschritten wurde. Andernfalls wäre diese architektonische Neugestaltung der Domschatzkammer Minden nicht möglich gewesen.
Die Gestaltung der Präsentation aller Exponate des Domschatzes Minden in den Vitrinen wurde von Architektin Claudia Hoffmann realisiert. Ebenso die Bibliothek der Domschatzkammer, in die die mehr als drei Jahrzehnte nach Paderborn ausgelagerten Bücher der Domgemeinde aus fünf Jahrhunderten wieder zurückgekehrt sind. Von ihr gestaltet wurden in Anlehnung des Vorentwurfes von Ines Miersch-Süß auch das 1. Obergeschoss der Schatzkammer sowie das 2. Ausstellungsgeschoss und die Sitzmöbel.
Intensiv begleitet wurden die Planungen für den neuen Domschatz Minden vom Kirchenvorstand der Domgemeinde mit Propst Roland Falkenhahn und dem damaligen Vorstandsmitglied Rudolf Bilstein sowie Rendant Stephan Kurze und dem Vorsitzenden des Dombau-Vereins Minden (DVM), Hans-Jürgen Amtage und dem damaligen stellvertretenden DVM-Vorsitzenden Gerd Stenz. Der überkonfessionelle Förderverein Dombau-Verein Minden trug auch mehr als 90 Prozent der Kosten für die Neugestaltung der Domschatzkammer in einer Gesamthöhe von knapp 2,7 Millionen Euro. Der DVM ist seit Wiedereröffnung der Schatzkammer außerdem Betreiber des Domschatzes Minden, der mit vier hauptamtlichen Mitarbeiterinnen als regulärer Museumsbetrieb geführt wird.